In Nürnberg fanden sich als zweite Fallstudie mit 500.000 Einwohnern spezielle Situationen einer Großstadt. Wirtschaftliche, rechtliche und organisatorischen Rahmenbedingungen des Freistaates Bayern wirken auf die Sicherheitsproduktion vor Ort ein. Als Untersuchungsräume wurden die Gebiete der Fuggerstraße in Sündersbühl und der Verkehrsknoten „Am Plärrer“ am Rand der Altstadt ausgewählt.
Untersuchungsraum Fuggerstraße
Bei der „Fuggerstraße“ handelt es sich um einen überwiegend gewerblich genutzten Straßenzug in St. Leonhard/Schweinau, einem Stadtteil mit verschiedenen infra- und sozial-strukturellen Belastungen. Der boomende Gebrauchtwagenhandel in der Fuggerstraße mit überwiegend osteuropäischer Kundschaft führte ab etwa 2003 zu Störungen im öffentlichen Raum. Das Entstehen von „Billigpensionen“, „wildes Urinieren“ u.ä. wurden 2005 als Ursachen für die in einer Bürgerbefragung festgestellte Verunsicherung der Bewohner von St. Leonhard/Schweinau identifiziert. Ein breiter öffentlicher Diskurs entspann sich, der neben den unmittelbaren Problemen in der „Fuggerstraße“ die infra- und sozial-strukturellen Probleme, darüber hinaus aber auch emotional stark grundierte Themen wie Wohnungsprostitution einschloss. Die Folgen des Diskurses über Sicherheit in der Fuggerstraße müssen vor allen in der angestoßenen Diskussion und den Maßnahmen der Stadtentwicklung für das größere Gebiet St. Leonhard/Schweinau gesehen werden.
Untersuchungsraum Plärrer
Der Plärrer ist einer der Wahrzeichenwichtigsten und wichtiger Verkehrsknoten in Nürnberg. Er befindet sich am Nordostrand des Stadtteils Gostenhof direkt an die Nürnberger Altstadt angrenzend. Die mangelnde Zuordnung des Plärrers zu umliegenden Planungskulissen – der Plärrer befindet sich stets am Rande – ließen sich als eine wichtige Ursache für die Häufung von städtebaulichen und sozialen Problemlagen an diesem Platz ausmachen. Seit Jahren ist dort ein „Trading Down“- Effekt zu beobachten, der sich u.a. in der vermehrten Ansiedlung von Spielhallen zeigt. Zudem wird der laute Platz mit schlechter Aufenthaltsqualität von Drogensüchtigen, Alkoholikern und Obdachlosen als Treffpunkt genutzt. Der Plärrer wird nicht in erster Linie als unsicher wahrgenommen, obwohl man ihn durchaus als Kriminalitäts-Hotspot bezeichnen kann. Ein wichtiger Grund hierfür dürfte in den informellen Sicherheitsnetzwerken zu sehen sein, die sich aus der Kooperation von Gewerbetreibenden, Hilfsorganisationen und anderen Akteuren entwickelten.
Die Nürnberger Sicherheitsproduktion ist auf den Sicherheitspakt, bestehend aus Ordnungsamt, Polizei und Bürgermeister, ausgerichtet. Dort werden in enger Zusammenarbeit die Sicherheitslage analysiert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt. Der Sicherheitspakt ist das Zentrum eines breiten behördlichen Netzwerkes. Sicherheit wird vor allem als Dienstleistung verstanden. Es stellt sich die Frage, ob dieser zentralistisch ausgerichtete, zunächst durchaus erfolgreiche Ansatz in der Lage ist, die vorhandenen zivilgesellschaftlichen Potenziale zu nutzen.
Stadtbericht Nürnberg – Die Praxis der Sicherheitsproduktion
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